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KE bis 2050


Entwicklung der Kernenergie bis 2050

Die IAEA (International Atomic Energy Agency) hat in ihrem 42ten Bericht einen Ausblick auf die weltweite Entwicklung der Kernenergie in den nächsten 30 Jahren versucht. Für die Entwicklung des Energieverbrauches verwendet sie das umfangreiche Material der OECD. Es handelt sich bei diesen Berichten nicht um Prognosen, sondern eher um fundierte Einschätzungen der erwarteten Bandbreite. Für die untere Begrenzung (low case) wird angenommen, daß die Märkte, die Technologie, die Ressourcen und die Randbedingungen (Gesetze, Politik etc.) bleiben wie gehabt. Dies soll eine konservative, aber plausible Projektion ergeben. Bei der oberen Begrenzung (high case) berücksichtigt man auch technisch machbare Entwicklungen und etwaige Ziele für eine „CO2 arme Gesellschaft“. Gleichwohl sollen die Annahmen plausibel bleiben und man geht deshalb ausdrücklich nicht von „net zero carbon emissions“ aus. Dies ist schon mal die erste interessante Feststellung gegenüber der Vorstellung der Bundesregierung: Fossile Energieträger verschwinden ausdrücklich nicht bis 2050.

Istzustand 2021 weltweit

Im Jahre 2021 sollen fast 7,9 Milliarden Menschen auf der Erde gelebt haben. Sie erzeugten 27007 TWh elektrischer Energie (zum Vergleich: Deutschland 588TWh). Etwa 9,8% davon entstammten der Kernenergie (zum Vergleich: Deutschland 11,8%). Der Anteil der Elektrizität betrug 19,5% (zum Vergleich: Deutschland ca. 20%) an der verbrauchten Endenergie. Schon diese drei Zahlen regen zu grundsätzlichen Überlegungen an: Die Stromproduktion in Deutschland ist gegenüber der gesamten Stromproduktion der Welt nahezu eine vernachlässigbare Größe. Das mag für viele „Weltenretter“ deprimierend sein — oder anders betrachtet — es kann bei dem Kohle- und „Atomausstieg“ gar nicht ums Klima gehen, sondern Energiewende ist lediglich Neusprech für die Zerstörung dieser Gesellschaft. Gerade die Kernenergie hat noch weltweit ein riesiges Wachstumspotential, da selbst im „Ausstieg Deutschland“ die Produktion noch überproportional war. Der Anteil von rund einem Fünftel der Elektroenergie an der Endenergie macht deutlich, wie abwegig eine voll elektrifizierte Welt und wie unverantwortlich eine Versorgung nur durch wetterabhängige Energie wäre.

Ende 2021 waren weltweit 437 Reaktoren mit einer Nettoleistung von 389,5 GWel in Betrieb. Sechs neue Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 5,2 GWel gingen ans Netz und es wurden acht Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 8,7 GWel abgeschaltet. Gleichzeitig wurde mit dem Bau von zehn Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 8,8 GWel neu begonnen. Es befanden sich 56 Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 58,1 GWel  2021 in Bau. Die Stromproduktion der Kernkraftwerke wuchs gegenüber 2020 um 4% auf 2653 TWh. Das ist immerhin die 4,5fache Menge der Gesamtproduktion von Deutschland, d. h. das „Vorangehen beim Atomausstieg“ spielt sich offensichtlich nur in den Köpfen deutscher „Ökos“ ab. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, daß die drei größten Produzenten USA (771,6 TWh), China (383,2 TWh) und Frankreich (363,4 TWh) bezüglich des Kernenergieanteils an der Stromproduktion nur den 15ten (19,6%), den 25ten (5%) bzw. den ersten Platz (69%) eingenommen haben. Man sieht daran ganz deutlich, wo das Ausbaupotential in der nahen Zukunft für diese Industrie liegen wird: Die Musik wird weiterhin in den USA und China spielen. Durch die eigenen Binnenmärkte werden sie auch den Weltmarkt dominieren. Demgegenüber hat sich Europa ideologische Fesseln verpaßt und Russland zerstört sich gerade selbst.

Entwicklung in den vergangenen Dekaden

In den letzten 30 Jahren ist der Anteil der fossilen an der Endenergie von etwa 74% auf 66% gesunken. Der Anteil von Öl (40%) und Erdgas (15%) ist bemerkenswert stabil geblieben. Einzig der Stromverbrauch ist um neun Prozentpunkte angewachsen. Ein Zeichen, daß die Industrialisierung durch Elektrifizierung weiter voranschreitet. Dieser Trend wird sich in der Zukunft eher noch beschleunigen.

Es ist daher wichtig, einen Blick auf die Stromproduktion zu werfen. Über 60% der elektrischen Energie stammen immer noch aus fossilen Energieträgern. Kohle hat daran nach wie vor mit rund 40% den größten Anteil. Der Anteil von Öl ist drastisch von etwa 20% auf nur noch 2% gesunken. Es ist vor allem durch (billiges) Erdgas verdrängt worden, dessen Anteil um neun Prozentpunkte gestiegen ist. Wasserkraft — als größte „Erneuerbare“ — hat noch einen Anteil von 16%, ist aber um vier Prozentpunkte gesunken. Ein sicheres Zeichen dafür, daß die natürlichen Quellen erschöpft sind. Es gibt schlicht keine geeigneten Flüsse mehr und die Umweltschäden werden immer größer. Der Anteil von Wind und Sonne ist durch massive Subventionen von unter 1% in 1980 auf etwa 9% in 2021 gestiegen. Zumindest für Windenergie sind langsam die wirtschaftlichen und technischen (Netzstabilität) Grenzen erreicht. Deren Anteil wird sich in den kommenden Dekaden eher wieder verringern müssen. Außerdem wird ja auch noch von „Grünem Wasserstoff“ als Ersatz für die anderen Endenergieträger (Industrie, Raumheizung, Verkehr usw.) geträumt.

Ausblick auf die kommenden Dekaden

Die Studien gehen von einem Anstieg des Endenergieverbrauches um 12% bis 2030 und um 27% bis 2050 aus. Das dürfte die „Grünen Khmer“ vom Schlage Trittin/Hermann nicht sehr freuen. Geht man von der Relation zwischen Weltenergieverbrauch und Deutschland aus, wird daran auch die komplette Deindustrialisierung Deutschlands nicht viel ändern. Der Rest der Welt wird sich nicht zurück entwickeln wollen, sondern gern die Produktion und die Arbeitsplätze und damit den Wohlstand Deutschlands übernehmen.

Der Stromverbrauch wird sich überproportional mit einer Wachstumsrate von geschätzt 2,4% pro Jahr entwickeln und sich bis 2050 gegenüber heute verdoppeln — „Klimakrise“ hin oder „Klimakrise“ her.

Die Elektrifizierung der Welt als der Wohlstandsschöpfer schlecht hin, muß (Bevölkerungswachstum) und wird (streben nach Wohlstand) sich weiter fortsetzen. Die Studien gehen deshalb von einer Steigerung des Anteils an der Endenergie um zehn Prozentpunkte aus. Darin sind so Seltsamkeiten, wie die komplette Umstellung auf E-Mobilität, noch gar nicht enthalten.

Entwicklung des Bestandes

Zwei von drei Reaktoren sind seit mehr als dreißig Jahren in Betrieb. Auch diese Studie ging daher von einer baldigen Außerbetriebnahme aus. Die Zeiten können sich jedoch schnell ändern: Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist eine sichere Energieversorgung schlagartig in den Mittelpunkt gerückt. Selbst in Deutschland — dem Kernland der „Atomangst“ — wird über eine längere Betriebsdauer plötzlich offen diskutiert. In Belgien hat man buchstäblich die Notbremse gezogen und fast schon abgeschaltete Reaktoren (die in Deutschland als Schrottreaktoren tituliert werden) um zehn Jahre verlängert. Selbst in GB will man man eigentlich ans (wirtschaftliche) Ende gekommene Reaktoren noch einmal flott machen. Es sind die gestiegenen Strompreise, die alle Wirtschaftlichkeitsrechnungen zu völlig neuen Ergebnissen führen. Dies gilt weltweit, wie das Umdenken in USA, Kanada, Korea und Japan zeigt. Dort will man Laufzeiten verlängern bzw. vorübergehend abgeschaltete Reaktoren (Fukushima) schneller wieder in Betrieb nehmen, um die Nachfrage nach Erdgas zu senken.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, der Propaganda der „Anti-AKW-Gruppen“ und deren Vertreter im Bundestag und in der Bundesregierung entgegen zu wirken: Es gibt bei Kernkraftwerken kein Verfallsdatum. Sie werden ständig überprüft und nicht nur „sicher“ gehalten, sondern sogar modernisiert (Nachrüstung). Dafür sind gewaltige Investitionen erforderlich, die in jedem Einzelfall auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden müssen. So kosten z. B. die Generalüberholungen der CANDU-Reaktoren mehrere Milliarden US-Dollar. Man erhält dafür eine Flotte neuwertiger Kernkraftwerke, die für mehrere Jahrzehnte weiter ihren Dienst verrichten können. Es gibt keine technische, sondern nur eine wirtschaftliche Lebensdauer. Sie ist dann erreicht, wenn laufende Reparaturen oder Kosten für Nachrüstungen die Kosten eines Neubaus überschreiten. Dabei muß ein Energieversorger alle möglichen Technologien und das Gesamtsystem im Blick behalten. Vor einigen Jahren glaubte man in den USA, daß Gaskraftwerke wegen der geringen Investitionen sinnvoller seien. Ein gewaltiger Irrtum, wie die hohen Betriebskosten durch stark gestiegene Erdgaspreise heute zeigen. Erdgas war nur deshalb in den USA so billig, weil man technisch noch nicht in der Lage war (Bau von LNG Anlagen), das Gas zu Weltmarktpreisen zu verkaufen. Das süße Gift der Subventionen führte zu immer mehr Windkraftanlagen und Photovoltaik. Die Nebenkosten (z.B. Netzausbau) und die Backup-Kosten (Dunkelflaute) ließen die Strompreise stark ansteigen. Hinzu kamen auch noch politische Maßnahmen („Klimaschutz“). All das, wird Länder ohne eigene „billige“ fossile Vorkommen — wie z. B. Deutschland — noch viel brutaler treffen.

Einordnung

In der Folge der 1970er Ölkrise wurden 40% der Reaktoren gebaut, die heute noch in Betrieb sind. Der Überfall auf die Ukraine könnte ähnliche Reaktionen auslösen: Angst vor Erpressung und stark gestiegene Energiepreise. Die Erdgaspreise werden erst — wie damals die Ölpreise — wieder merklich sinken, wenn das Angebot deutlich erhöht wird. Eine sinkende Nachfrage durch eine weltweite Rezession wird nicht so durchschlagen, da Erdgas vornehmlich im Wärmemarkt eingesetzt wird. Russland hat sich für Jahrzehnte selbst aus dem Weltmarkt katapultiert. Kein Land wird sich jemals wieder so abhängig machen, wie Deutschland. Bis Russland die alten Mengen wieder liefern kann, muß es erstmal eine vergleichbare LNG-Struktur wie die USA oder Australien aufbauen. Dafür fehlt es ihm aber an der Technologie und vor allem an Kapital. Die jetzige Situation, daß die anderen Produzenten den Ausfall in Europa decken müssen, wird somit schon aus technischen Gründen länger anhalten. Das Modell der wetterabhängigen Stromversorgung mit billigen Erdgaskraftwerken als Backup ist damit mausetot. Aus diesem Grund ist mit anhaltend hohen Strompreisen in Europa zu rechnen. Ab jetzt wird gnadenlos der Deckel für „Die-Sonne-schickt-keine-Rechnung“ präsentiert. Will man auch noch das Narrativ von der „menschengemachten Erderwärmung“ aufrecht erhalten, bleibt der Fluchtweg in die Kohle versperrt. Wer mehr Windenergie und Photovoltaik fordert, löscht mit Benzin. Wer von „Grünem Wasserstoff“ als Speicher und „Wasserstoff-ready-Turbinen“ für die Dunkelflauten schwadroniert, wirft noch eine Stange Dynamit zusätzlich ins Feuer.

Völlig irrsinnig ist es aber, wenn man in „höchster Erdgasnot“ auch noch drei Kernkraftwerke (Emsland, Isar 2, Neckarwestheim 2) abschaltet. Sie haben zusammen eine elektrische Nettoleistung von 4049 MW. Dies ist ein dauerhafter Schritt, bei dem nur der Ersatz durch teures Erdgas möglich ist, da man ja auch so schnell wie möglich aus der Kohle aussteigen will. Dafür wird man zukünftig jede Stunde mindestens 738 000 Kubikmeter Gas zusätzlich aus LNG verfeuern müssen. Dies ist noch konservativ gerechnet, weil hier angenommen wurde, daß Grundlast durch Grundlast (Gas und Dampf Kombikraftwerk) ersetzt wird. Will man nur die Dunkelflauten überbrücken — was ja das erklärte Ziel unserer Regierung ist — ist man sehr schnell bei deutlich über eine Million Kubikmeter Erdgas in jeder Betriebsstunde. Will man Wasserstoff einsetzen, ergibt das etwa 2,5 Millionen m^3 in der Grundlast bzw. weit über 4 Millionen m3 Wasserstoff in jeder Stunde Lastfolgebetrieb. Noch Fragen Herr Habeck?

Dieser Beitrag wurde zuerst am 30.09.2022 veröffentlicht.