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Nord Stream oder LNG?


Nord Stream oder LNG?

In den letzten Monaten wurde plötzlich die Erweiterung der Nord Stream Pipeline durch die Ostsee wieder neu diskutiert. Meist sehr oberflächlich auf dem Niveau Trump gegen Putin. Ist die Sache wirklich so einfach oder geht es um grundlegende Zusammenhänge?

Nord Stream

Diese Leitung soll jährlich 110 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Rußland unterhalb der Ostsee nach Deutschland transportieren. Dies ist der erste Streitpunkt: Sie umgeht damit die bisherigen Transportwege durch Drittländer. Diese Länder verlieren damit beträchtliche Transitgebühren und Dienstleistungen. Genau das ist ein Ziel der russischen Regierung: Sie will auch weiterhin über den Gashahn ihre Nachbarn disziplinieren können. Unvergessen sind die Liefereinschränkungen in die Ukraine in kalten Wintern. Diese Gefahr besteht heute so nicht mehr, da die „Pufferstaaten“ durchweg von Westen aus beliefert werden können.

Der Gasmann Schröder als ehemaliger Bundeskanzler und heutiger bester Freund und gut dotierter Günstling von Putin wird nicht müde zu betonen, welch zuverlässiger Handelspartner doch Rußland sei. Selbst im Kalten-Krieg sei immer Gas geliefert worden. Das ist zwar richtig, aber heute haben wir einen heißen Krieg in der Ost-Ukraine und gewaltsame Verschiebungen von Grenzen auf der Krim.

Das alles ficht echte deutsche Putin-Versteher nicht an. Um so geringer ist das deutsche Verständnis für den US-Steuerzahler: Dem geht es nämlich schon lange — nicht erst seit Trump Präsident geworden ist — mächtig gegen den Strich, daß sich Deutschland gern auf seine Kosten verteidigen läßt und gleichzeitig Russlands Aufrüstung auch noch mit den dafür dringend benötigten Devisen fördert. Die Politik unserer gelernten Agit-Prop-Sekretärin alles zu unterschreiben — ob Stickoxid Grenzwerte oder Zusagen zu Verteidigungsausgaben (2%-Kriterium) — wird nicht mehr lange gut gehen.

Die Energiewende

Deutschland steigt aus der Kernenergie aus, will möglichst schnell die Braunkohlekraftwerke abschalten und bereitet schon den Ausstieg aus der Steinkohle vor. Was bleibt, ist faktisch nur noch Erdgas als Primärenergieträger. Energiemix und Versorgungssicherheit war gestern.

Auch bildungsresistente Politiker sollten inzwischen verstanden haben, daß Wind Wetter ist. Entweder er weht oder er weht nicht. Da kann man so viele Windmühlen gegen bauen wie man will. Hier liegt nämlich genau die Crux: Wenn er weht, produzieren ganz viele Windmühlen ganz viel elektrische Leistung — demnächst mehr, als überhaupt verbraucht wird. Wenn er aber nicht weht, dann keine einzige. Noch mal in einfacher Sprache: Die mögliche Bandbreite bewegt sich zwischen Null Produktion (Windstille) und maximaler momentaner Nachfrage (durch alle Stromkunden zu einem Zeitpunkt). Die Natur läßt sich nicht durch Menschen steuern: Oft weht der Wind gerade besonders stark, wenn wenig elektrische Energie benötigt wird (Nachts, Sonntags) und umgekehrt.

Noch schlimmer geht es in unseren Breiten mit dem Sonnenlicht zu. Im Winter ist es bis zu 16 Stunden täglich dunkel. Deshalb ist es auch noch kalt und der Energiebedarf steigt stark an.

Ich kann die Einwände von Annalena und Anton schon hören: Wenn erstmal unsere Führerin ihre Wunderwaffe Speicher hat, ist auch der Endsieg in der Energiewende sicher. Hat sie aber nicht und wird sie auch auf absehbare Zeit nicht kriegen. So einfach, aber auch so grausam, ist die Natur.

Die besondere Rolle des Erdgases

Kohle, Kernenergie und Öl sind leicht transportierbar und einfach zu speichern. Erdgas als Gas aber nicht. Kohle und Kernenergie sind besonders preiswert, aber heute praktisch nur in Kraftwerken zur Stromproduktion einsetzbar. Mineralöl ist mit Abstand am flexibelsten einsetzbar und deshalb auf Grund der hohen Nachfrage am teuersten.

Nun stellen sie sich einfach mal vor, sie verfügen über riesige, schier unerschöpfliche Vorräte an Erdgas. Pech nur, sie sind völlig wertlos, weil weit von den Verbrauchszentren entfernt. Oft sogar Müll, wenn sie als Begleitgas der Ölförderung noch entsorgt werden müssen, was überdies meist sehr belastend für die Umwelt ist und deshalb schon in vielen Gebieten mit hohen Strafgebühren belegt ist. Glück, wenn ihre Förderanlagen in der Nähe von dicht besiedelten Wohngebieten liegen (z. B. „Hollandgas“, Niedersachsen etc.), dann können sie den Konkurrenten Heizöl über etwas günstigere Preise aus dem Markt drücken.

Die Achillesferse des Erdgases ist dessen Transport. Rohrleitungen und Verflüssigungsanlagen sind extrem kapitalintensiv. So soll allein Nord Stream zwischen 15 und 20 Milliarden Baukosten erfordern. Hinzu kommt noch der Energieverbrauch für den Transport, Transitgebühren, Wartung etc. Kein Mensch tätigt solche Investitionen für ein paar Kubikmeter oder will solche Anlagen nur ein paar Jahre nutzen. Die Transportkapazität von 110 Milliarden Kubikmeter pro Jahr (≈ 9,27 Bcf/d) entspricht einer Leistung von knapp 140 GWBrennstoff . Richtig erkannt, das ist eine ganze Menge. Mit der Wärmeversorgung von Einfamilienhäusern richtet man da wenig aus. Es muß also ein richtiger Absatz her.

Im Jahr 2017 betrug der Erdgasverbrauch in Deutschland 3 230 PJ (897 TWBrennstoff). Damit wurden neben Heizung und Industrie auch etwa 86 TWh elektrischer Energie erzeugt. Die Stromerzeugung aus Kernenergie betrug 76 TWh, aus Steinkohle 93 TWh und aus Braunkohle 148 TWh. Jetzt überschlagen wir mal den möglichen Erdgaseinsatz: Braunkohle- und Kernenergie- sind Grundlastkraftwerke. Man könnte sie durch modernste Gasturbinenkraftwerke mit Abhitzekesseln ersetzen. Es wird deshalb ein Wirkungsgrad von 60% angesetzt. Steinkohle übernimmt schon heute die Mittellast, d. h. Kraftwerke müssen dem Netz folgen und teilweise ganz abgeschaltet werden (Sonntags, Nacht). Dies würde den Erdgaskraftwerken nicht anders ergehen. Es wird für diese Betriebsweise ein Wirkungsgrad von 40% angesetzt. Macht also locker 606 TWBrennstoff bzw. 2 182 PJ zusätzlich. Der Erdgasverbrauch Deutschlands steigert sich auf 168%. Der Durchschnittspreis für Erdgas betrug in Deutschland 6,1 Cent pro kWh (2017). Davon entfielen 49,1% auf die Beschaffungskosten. Das sind also über 18 Milliarden zusätzliche Importkosten für Erdgas jährlich. Allerdings ohne Kohle und Kernenergie keine Versorgungssicherheit mehr — wenn Gas weg (aus welchen Gründen auch immer), auch Strom weg. Die gewaltigen Investitionskosten für neue Kraftwerke bezahlt selbstverständlich der Stromkunde. Die Investitionskosten für notwendige Gas-Infrastruktur der Gaskunde. Der wehrlose Haushaltskunde wird gleich zweimal zur Kasse gebeten. Bei einer steigenden Zahl von Kleinrentnern, prekär Beschäftigten und absehbaren Arbeitslosen (noch nicht integrierten Flüchtlingen, abgeschafften Autowerkern, eingeschränktem Konsum durch immer weniger frei verfügbare Einkommen etc.).

Bevor sich jetzt alle Blitzdenker zu Wort melden: Natürlich werden die „Regenerativen Energien“ weiter ausgebaut — dafür sorgen schon die Schlangenölverkäufer. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß wenn der Wind mal weht und die Sonne scheint, trifft das alle Anlagen. Man kann aber nicht mehr elektrische Leistung einspeisen als gerade verbraucht wird. Die Wunderwaffe Speicher gibt es nicht. Damit ändert sich aber auch nichts an der erforderlichen Leistung aus konventionellen Kraftwerken, da sich weder die Jahreszeiten noch das Wetter durch den Menschen beeinflussen lassen, auch nicht (wesentlich) die möglichen Betriebsstunden. Man kann die Lücke — vornehm ausgedrückt: Residuallast — nur über Erdgas abdecken. Eigentlich ganz einfach, könnten sogar die Annalenas verstehen, wenn sie denn wollten.

Aber noch einmal einen Schritt zurück. Wenn sie ihr Erdgas aus abgelegenen Weltgegenden zu den Verbrauchsschwerpunken (Kraftwerke) bringen wollen, wird das sehr teuer. Entweder ewig lange Pipelines oder Verflüssigungsanlagen mit entsprechender Transportkette. Sie können es drehen wie sie wollen, aber mit Kohle und Kernenergie können sie nicht konkurrieren. Da sie nicht billiger werden können, haben sie nur eine Chance: Sie müssen dafür sorgen, daß die anderen Energieformen teurer werden und/oder verunglimpft werden. Sie erfinden beispielsweise den „menschengemachten Klimawandel“. Sie fördern — ganz unverdächtig — massiv „regenerative Energien“ und sponsern ihre politischen Vertreter, weil sie (die offensichtlich nicht) genau wissen, daß mit Wetter-Energie gar keine zuverlässige Stromversorgung möglich ist. Gleichzeitig kehren sie ihren Nachteil in einen (vermeintlichen) Vorteil um: Der höchste Wasserstoffgehalt unter den Brennstoffen, der ihr Produkt zu einem schwer handhabbaren Gas macht, wird jetzt zum kleineren „CO2 Fußabdruck“ umgedeutet (Neudeutsch framing).

Trump’sche Energiewende

Für Trump ist Energieverbrauch nicht per se schlecht. Ganz im Gegenteil: „Billige“-Energie hebt den Lebensstandard. Für den Privatmann bedeutet eine kleinere Energierechnung mehr Geld für andere Dinge des Lebens übrig zu haben. Für die Industrie weniger Kosten und damit mehr Geld für Investitionen und Gehälter.

Er hat das gemacht, was Politiker machen können, er hat alle unsinnigen und hemmenden Vorschriften wieder abgeschafft. Achtung, Wähler aufgepaßt: Das ist jederzeit in einer Demokratie möglich. Es ist also sinnvoll, vor einer Wahl die unterschiedlichen Wahlprogramme zu studieren und den Politikern aufmerksam zuzuhören.

Von den Fesseln befreit, ist die Öl- und Gasindustrie in den USA förmlich explodiert. Die USA sind auf dem Weg größter Ölproduzent (noch vor Saudi Arabien und Rußland) der Welt zu werden. Kann sich noch jemand an „peak oil“, die andere sozialistische Erfindung zum „Marktversagen“ erinnern? Nach dieser verquasten Theorie müßten die Ölvorräte der USA längst erschöpft sein. Tatsache ist jedoch, daß der bisherige Förderrekord aus den 1970er Jahren gerade übertroffen wurde. Das Ergebnis ist eine steigende Beschäftigung bei steigenden Einkommen. Gerade auch bei Minderheiten — die Flut hebt bekanntlich alle Boote. Wirtschaftspolitik ist immer noch die wirksamste Sozialpolitik. Leider gilt das auch anders herum, wie man gerade im Energiewende-Deutschland beobachten kann.

Die USA schwimmen zur Zeit in Öl und Gas. Dies hat zu einem Preisverfall in den USA geführt. Eine ungesunde Entwicklung, die zur Senkung der Produktion mit umgekehrten Konsequenzen führen würde. So beträgt der Rohölpreis in den USA (West Texas Intermediate) rund 90% des Referenzpreises in Europa (Brent). Die Antwort darauf ist ein Ausbau der Häfen in Texas für Supertanker zum Export von Rohöl. Noch schlimmer ist die Situation beim Erdgas. Alles begann mit dem Shale Gas Boom (Appalachian region). Parallel kam die zunehmende Ölförderung aus der Bakken-Formation (North Dakota) und dem Permian Basin (Texas, New Mexico) hinzu. Dort fallen nämlich gewaltige Mengen als Begleitgas an. Das Ergebnis ist ein Referenzpreis (Henry Hub, März 2019) für Erdgas von rund 2,82 $/MMBtu (0,0865 Eurocent/kWh). Da dieser Preis sogar unter dem von Kesselkohle liegt, drängt das Erdgas zeitweise die Kohlekraftwerke aus dem Markt. Es ist aber gar nicht beabsichtigt auf Kohle oder Kernkraft zu verzichten (Versorgungssicherheit). Auch hier bleibt nur der Export als Ausweg. Es mag sich zwar paradox anhören, aber die hohen Weltmarktpreise ziehen die heimatlichen Erdgaspreise über die zusätzliche Nachfrage aus dem Export nach oben und sichern damit der heimischen Industrie auch langfristig günstige Rohstoff- und Energiepreise.

Der LNG-Boom

Die USA können ihr Erdgas über Rohrleitungen nur nach Kanada (ist selbst ein Nettoexporteur) und Mexiko exportieren. Also bleibt nur der Seeweg. Der Gesamtexport im Jahr 2018 betrug 9,9 Bcf/d. Damit sind die USA zum ersten Mal seit 60 Jahren zum Nettoexporteur geworden und der Bezug über Rohrleitungen ist seit 20 Jahren zum ersten Mal kleiner als die Lieferungen ins Ausland.

Der Ausbau der Verflüssigungsanlagen geht schnell voran. Im Jahr 2018 wurde noch ganzjährig durchschnittlich 3,1 Bcf/d (878 Millionen m3 pro Tag) Gas verflüssigt. Dieses Jahr gehen noch weitere Anlagen in Sabine Pass, Corpus Christi, Cameron, Freeport und Elba Island in Betrieb. Damit dürfte sich die Kapazität auf etwa 9 Bcf/d (2,55 Milliarden m3 pro Tag) Gas erhöhen.

Hat man Erdgas verflüssigt (Liquefied Natural Gas, LNG), hat man einen Quantensprung in der Flexibilität erreicht: Man ist nicht mehr auf starre Rohrleitungen angewiesen, sondern kann es mit Tankern weltweit und sogar mit Tankwagen in die hintersten Ecken transportieren. Ebenso benötigt man keine aufwendigen und energieintensiven geologischen Speicher mehr um die Lastspitzen an kalten Tagen (Bedarf der Heizungen) ausgleichen zu können. Schon heute werden stationäre Tankanlagen für die Glättung solcher Spitzen eingesetzt. Je mehr sich LNG in der Fläche ausbreitet, um so mehr Schiffe und LKW können es dann als (billigen) Treibstoff nutzen. LNG hat rund 60% der Energiedichte von Dieselkraftstoff und etwa 70% von Benzin.

Der Weltmarkt für LNG wächst schnell. 2017 gab es bereits 19 exportierende und 40 importierende Länder. Die drei größten Exporteure waren Qatar (77.5 MT, Millionen to), Australia (55.6 MT) and Malaysia (26.9 MT) und die drei größten Importeure Japan (83.5 MT), China (39 MT) and South Korea (37.8 MT). Der Bedarf in China wird weiter steigen, da China dringend den Kohleverbrauch in Haushalten und Industrie senken muß. Der Verbrauch in Japan wird demgegenüber mit jedem Kernkraftwerk, das wieder in Betrieb geht, weiter sinken. Durch LNG werden sich analog zu Rohöl die Erdgaspreise weltweit angleichen. Ist das LNG erstmal im Tanker, kann es weltweit umdisponiert werden — immer in Richtung der lokal höchsten Preise. Dies gilt auch dann, wenn beispielsweise ein japanischer Gasversorger feste Verträge mit einer Laufzeit über zwei Jahrzehnte mit einem US-Anbieter hat. Gibt es z. B. ein günstigeres „Tages-Angebot“ aus Australien, kann er seine Ladung aus den USA umleiten. Im Ölgeschäft ist es nicht unüblich, daß ein Tanker auf seiner Reise mehrfach verkauft wird.

Der Erdgaspreis hat auch eine wichtige Konsequenz für die „Alternativen Energien“. Die maximal zulässigen Stromkosten aus Wind und Sonne entsprechen (über dem dicken Daumen) ungefähr dem doppelten Erdgaspreis. Das Gaskraftwerk hat feste Kosten für Personal und Kapitaldienst — ob es nun läuft oder nicht. Das einzige was es spart, wenn es durch Wind und Sonne aus dem Netz gedrängt wird, ist der verringerte Gasverbrauch. Für den Süden der USA ergibt das bei einem aktuellen Erdgaspreis von 2,75 $/MMBtu, weniger als 2 Eurocent für eine Kilowattstunde „Wetterstrom“. Viel Spaß bei der Arbeit, liebe Schlangenölverkäufer. Damit kein Mißverständnis entsteht, noch einmal mit anderen Worten: Deutlich unter zwei Cent pro kWh darf eure elektrische Energie in der Herstellung (ohne Subventionen!) nur kosten, sonst seit ihr sehr bald wieder vom Markt verschwunden. Mit Kohle und Kernenergie hofft ihr ja bald ohnehin nicht mehr konkurrieren zu müssen.

Dieser Beitrag wurde zuerst am 20.03.2019 veröffentlicht.