Der Rummel um SMR scheint langsam auf seinem Höhepunkt angekommen zu sein. Kreativer Höhepunkt ist bisher der DB-PWR (Deep Borehole Pressurized Reactor). Sie haben Angst vor explodierenden „Atomkraftwerken“ oder „Atommüll“? Hier ist die (laienhafte) Antwort: Man nehme einen Druckwasserreaktor und versenke ihn einfach eine Meile unter die Erde.
Das Konzept
Alles muß klein sein, denn eine Tiefbohrung oder gar ein Bergwerk sind teuer. Wenn schon tief, dann richtig: 1 Meile oder 1609 m unter der Erde, das ergibt nämlich rund 157 bar Wassersäule. Zufällig in etwa der Druck bei konventionellen Druckwasserreaktoren. Geht man so tief runter, braucht man keinen Druckbehälter mehr. Ob das ein so gravierender Vorteil ist, sei dahingestellt. Ganz unten soll der Reaktor stehen. Unmittelbar über dem Reaktor befindet sich der Dampferzeuger. Das Wasser soll mit etwa 275 °C in den Reaktor eintreten und diesen wieder mit rund 315 °C verlassen. Im Dampferzeuger (Sekundärkreislauf) erzeugt es Dampf von etwa 65 bar Druck und 281 °C Temperatur. Dieser Dampf steigt an die Oberfläche und treibt dort eine Turbine mit Generator. Das ganze soll eine Leistung von etwa 10 MWel ergeben – ein Mini-Kraftwerk. Braucht man mehr Leistung, sollen mehrere Bohrungen parallel ausgeführt werden. Für ein typisches Kernkraftwerk mit 1000 MWel also 100 Bohrungen mit jeweils einem Reaktor. Für Kosten und Betrieb wohl eher ein Albtraum.
Der Reaktor
Der DP-PWR soll einen Durchmesser von nur 660 mm haben, bei einer Höhe von 9144 mm. Das ist ein Verhältnis von 1:14. Der EPR (z.B. Olkiluoto, Flamanville) ist demgegenüber nahezu quadratisch (Höhe 4,4 m, Durchmesser 3,77 m). Je „dünner“ der Kern ist, um so mehr Neutronen können ausfließen ohne eine Spaltung ausgelöst zu haben und je ungleichmäßiger ist das Leistungsprofil. Das macht jede Regelung schwierig. Je höher der Neutronenverlust ist, um so höher muß die Anreicherung sein, was den Brennstoff entsprechend verteuert. Der DP-PWR besteht aus nur vier Brennelementen gegenüber 241 Brennelementen beim EPR. Jeder Reaktor soll 30 MWth erzeugen, was eine elektrische Leistung von 10 MWel ergeben soll (Wirkungsgrad 33%). Das dürfte für eine solche Konstruktion sehr optimistisch sein.
Bei einem konventionellen Druckwasserreaktor beträgt die Wandstärke rund 20 bis 30 cm. Dies macht insbesondere die Schweißnähte sehr aufwendig und zeitintensiv. Die Fertigung vollzieht sich über mehrere Jahre vom Rohmaterial bis zum einsatzfähigen Produkt. Der Druckbehälter gehört deshalb zu den zeitkritischen Bauteilen, die möglichst schnell bestellt werden müssen und deren Kosten über viele Jahre vorfinanziert werden müssen. Beim DB-PWR glaubt man nun mit einem sehr dünnwandigen Druckbehälter auskommen zu können, da der Druck der Wassersäule ungefähr dem Betriebsdruck im Reaktor entspricht. Allerdings ergibt sich hier ein neues Problem: Das Wasser im Bohrloch dürfte langfristig nicht mehr „rein“ bleiben, sondern eher einer Sole entsprechen, was zu Korrosionsproblemen führt.
Das Bohrloch
Das Bohrloch soll einen Durchmesser von 762 mm auf der ganzen Länge haben. Das hat mit klassischen Ölbohrungen nichts mehr zu tun. Diese sind teleskopartig, beginnend mit etwa 400 mm und sich verjüngend auf etwa 100 mm. Jeder Abschnitt wird mit entsprechenden Stahlrohren ausgekleidet deren Zwischenräume mit Zement stabilisiert werden. Eine senkrechte Bohrung mit einem lichten Durchmesser von fast 80 cm über eine Länge von 1,6 km dürfte zumindest sehr kostspielig werden. Der Reaktor soll einen Durchmesser von 660 mm haben (Spaltmaß ungefähr 5 cm). Der Reaktor mit Dampferzeuger hätte eine Länge von rund 20 m. Diese vorgefertigte Einheit soll wie eine Fahrstuhlkabine an einem Drahtseil auf und ab bewegt werden.
Hier ergibt sich aus den 1600 m Höhenunterschied das nächste Problem: Der Reaktor und Dampferzeuger müssen mit den Bauten an der Oberfläche verbunden sein. Das gilt für alle Kabel und Leitungen. Die Dampfleitung muß 65 bar aushalten und dieses Rohr wegen der Dampftemperatur von 281 °C sehr gut gegen das „kalte“ Wasser im Bohrloch isoliert sein. Zusätzlich muß das Kondensat wieder nach unten in den Dampferzeuger zurück. Diese Leitungen müssen bei jedem Lift (Wechsel der Brennelemente, Inspektionen usw.) auseinander geschraubt und wieder zusammengesetzt werden. Schon bei einer Ölbohrung ist der Wechsel des Bohrgestänges eine sehr zeitaufwendige Angelegenheit. Unter den Sicherheitsanforderungen eines Kernkraftwerks könnte sich dies schell zu einem Killerkriterium für dieses Konzept entwickeln.
Notkühlung
In dem Bohrloch befinden sich über 1000 m3 Wasser. Dies dürfte zur Notkühlung nach einer Schnellabschaltung ausreichen. Man geht davon aus, daß die Wärme des Wassers an das umgebende Gestein abgeführt wird. Allerdings ist Gestein ein schlechter Wärmeleiter. Insofern dürfte sich im Bohrloch eine Naturkonvektion einstellen.
Nachwort
Die Baukosten dürften wohl kaum niedriger sein, als bei einem konventionellen Druckwasserreaktor der dritten Generation. Die technischen Schwierigkeiten bei jedem Brennstoffwechsel bzw. Wiederholungsprüfung dürften sehr hoch sein. Müssen doch die gesamten Verbindungsleitungen und Rohrleitungen vor dem Hochziehen rückgebaut werden. Ein Sicherheitsgewinn durch die Tiefe ist auch nicht zu verzeichnen. Geht der Reaktor kaputt (Fukushima) soll die Radioaktivität durch die Gesteinsschicht zurückgehalten werden. Allerdings steht dem das Bohrloch selbst entgegen. Man müßte zumindest das Bohrloch zuschütten und sicher verschließen. Bei diesem Reaktortyp handelt es sich eher wieder um ein Stöckchen von „Atomkraftgegnern“ über das die Politik springen soll. Der vermeintliche Sicherheitsgewinn ähnelt dem Core Catcher oder der doppelten Betonhülle. Beides Maßnahmen, die die Baukosten in die Höhe getrieben haben, damit „Atomkraftgegner“ der Kernenergie eine nicht vorhandenen Wirtschaftlichkeit andichten können.