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Tödliche kWh


Wie tödlich ist ihre kWh?

Diese makaber anmutende Frage stellte das Forbes-Magazin seinen Lesern schon vor geraumer Zeit und fügte folgende Tabelle hin zu:

Energiequelle Tote pro Billion kWh Anteil an der Stromerzeugung
Kohle (weltweit) 170.000 50% weltweit
Kohle (China) 280.000 75% in China
Kohle (USA) 15.000 44% in USA
Öl 36.000 36% Energie, 8% Elektro
Erdgas 4.000 20% weltweit
Biomasse 24.000 21% Energie weltweit
Solar (PV) 440 1% weltweit
Wind 150 1% weltweit
Wasserkraft 1.400 15% weltweit
Kernenergie 90 17% weltweit

Die Redaktion hat diese Tabelle aus verschiedenen Quellen, wie z. B. der WHO zusammengetragen. Es lohnt nicht, die Zahlen im einzelnen diskutieren zu wollen. Man versinkt zu schnell in dem Sumpf der Statistik: Unterschiedliche Zugänglichkeit von Daten (z. B. China oder USA) und unterschiedliche Ansichten über Langzeitwirkungen. Besonders deutlich wird dies z. B. an den Opfern der Kernenergie. Hier wurden die Schätzungen von potentiellen Krebsopfern infolge der Reaktorunglücke in Tschernobyl und Fukushima eingearbeitet. Tatsache ist jedoch, in Fukushima ist bisher kein Opfer und in Tschernobyl sind zwischen 20 und 200 — je nach Zählweise — Strahlentote zu verzeichnen. Die Zukunft wird zeigen, welche Zahlen realistisch sind.

Trotzdem ist eine solche Tabelle als Denkanstoß (aber bitte nicht mehr!) sinnvoll. Sie macht auf den ersten Blick klar: Es gibt keine Energieerzeugung ohne Opfer. Energiegewinnung fordert wie alle anderen menschlichen Tätigkeiten immer auch Todesopfer. Wir gehen individuell völlig selbstverständlich mit einer Risiko/Nutzen – Abwägung um. Jeder, der in den Urlaubsflieger steigt, tut dies in vollem Bewußtsein, daß es sein absolut letzter Flug sein könnte. Nur bei der Energieversorgung kommt es plötzlich zu völlig irrationalen Reaktionen. Es wird nur noch das (vermeintliche) Risiko gesehen. Der Nutzen wird völlig verdrängt. Kann es sein, daß dies maßgeblich auf eine politisch gewollte und geförderte Sichtweise zurückzuführen ist? Der gesunde Menschenverstand reagiert anders. Würde man eine Umfrage unter Hausfrauen und Hausmännern machen, ob sie sich einen Haushalt ohne jeden elektrischen Strom vorstellen könnten, wäre das Ergebnis wohl eindeutig: Die Waschmaschine und der Staubsauger erscheinen nicht nur als unentbehrlich.

Selbstverständlich wünschen wir uns alle eine Energieversorgung, die möglichst wenige Opfer fordert. Wir sollten jedoch nie vergessen, daß auch immer Dachdecker bei der Installation eines Sonnenkollektors vom Dach fallen werden, genauso wie es Unfälle in Kernkraftwerken geben wird. Wer jetzt gleich wieder in seinen Reflex verfällt, „aber Atomkraftwerke haben ein Restrisiko von Millionen Toten und zehntausende Jahre unbewohnbaren Landstrichen“ sollte einfach zur Kenntnis nehmen, daß das nichts weiter als schlechte Propaganda ist. Die Betonung liegt dabei auf „schlecht“, wie die Reaktorunfälle von Tschernobyl und Fukushima gezeigt haben. Parallel zum Reaktorunglück in Fukushima brannte zwei Wochen lang in der Bucht von Tokio eine Raffinerie. Bei den Löscharbeiten sind mehr als ein Dutzend Feuerwehrleute getötet worden und eine riesige Umweltverschmutzung ergoss sich über das Meer. Das hält aber bis heute, keinen der „Berufenen“ davon ab, der Bevölkerung immer wieder etwas von den „tollen Gaskraftwerken“ als Alternative zur bösen Kernenergie ins Ohr zu säuseln. Erst recht wird nicht hinterfragt, wie viele Menschenleben man pro Jahr mit den Milliarden Mehrkosten für fossile Brennstoffe in Japan (infolge der vorübergehenden Reaktorstilllegungen) retten könnte. Plötzlich sind all die Kreise, die stets mit ein paar Milliarden mehr für Bildung, Gesundheit und „soziales“, alles Elend der Welt glauben beseitigen zu können, ganz still.

Die Tabelle gibt uns aber noch einen weiteren wertvollen Hinweis: Den Zusammenhang zwischen Wohlstandsniveau und Arbeitssicherheit und Umweltschutz. Es ist kein Zufall, daß die Anzahl der Opfer pro Einheit Energie in China höher, als in den USA ist. Es gibt in China (noch nicht) einen vergleichbaren Arbeitsschutz, wie in den Bergwerken der USA. Auch die Rauchgasreinigung ist in China (noch nicht) auf dem gleichen Niveau, wie z. B. in Deutschland. Folgerichtig sind die Atemwegserkrankungen durch Abgase entsprechend höher. Und nicht zuletzt hat in diesem Zusammenhang auch der massive und konsequente Ausbau der Kernenergie in China seine Begründung. Es ist nicht abwegig, wenn andere Entwicklungsländer diesen Weg als vorbildlich ansehen. Vor allem, wenn die Konsequenzen der Deindustriealisierung im „energiegewendeten“ Deutschland erst voll sichtbar werden.

Dieser Beitrag wurde zuerst am 28.05.2013 veröffentlicht.