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Elektrifizierung des Krieges


Die Elektrifizierung des Krieges

Der Bedarf an elektrischer Energie schreitet bei den Streitkräften stetig voran: Immer mehr Computer und Datenverkehr, immer mehr Radargeräte etc. und neuerdings sogar Laser-Waffen. Hinzu kommen — zumindest beim US-Militär — bedeutende strategische Verschiebungen hin zu einer Konfrontation mit China und Rußland. Bei diesen Gegnern hat man es weniger mit Kalaschnikows und „Panzerfäusten“, sondern mit präzisen Mittelstreckenraketen, einer funktionstüchtigen Luftabwehr und elektronischer Kriegsführung zu tun. Das alles vor allem in den Weiten des Pazifiks — für Amerikaner tauchen dabei sofort die Trauma von Perl Harbor, den Philippinen und dem blutigen „Inselhopping“ auf dem Weg nach Japan auf. In einer breiten Allianz zwischen den Parteien im Kongress und Senat ist bereits der Umbau der Teilstreitkräfte eingeleitet worden. An dieser Stelle kommt die Kernenergie mit riesigen Schritten ins Laufen.

Die Rolle der Stützpunkte

Stützpunkte (Flugbasen, Häfen etc.) haben den Bedarf von Kleinstädten an elektrischer Energie und Wärme. Sie müssen auch und gerade im Krieg sicher versorgt werden. Um welche finanzielle Größenordnung es sich dabei dreht, sieht man an den Energiekosten von 3,4 Milliarden US$ des US-Militärs (Fiskaljahr 2018) für seine 585 000 Einrichtungen und seine 160 000 Unterstützungsfahrzeuge. Damit im Kriegsfall diese Einrichtungen und die kämpfende Truppe sicher versorgt werden können, ist ein erheblicher logistischer Aufwand nötig. Nicht nur das, in den neun Jahren des Irak- und Afghanistan-Krieges sind 52% aller Opfer (18 700 Kriegsopfer) bei den Versorgungsfahrten eingetreten. Eine typische vorgeschobene Basis mit einer Grundlast von 13 MWel benötigt 16 000 Gallonen Diesel täglich. Das entspricht allein etwa sieben Tankwagen täglich. In den Weiten des Pazifiks unter feindlichen U-Booten und dem Beschuß durch Präzisionsmunition kaum zu leisten. Hier kommt die Idee des Einsatzes von Kernreaktoren. Durchaus keine neue Idee, aber mit neuer Technologie und neuen Randbedingungen.

Wie gewaltig die Stückzahlen sind, ergibt eine Studie der US-Army. Man hat zahlreiche Stützpunkte untersucht und kommt zum Schluß, daß man etwa 35 bis 105 Reaktoren mit einer elektrischen Leistung von 10 MWel und 61 bis 108 Reaktoren mit 5 MWel benötigt. Parallel hat das DOD („Verteidigungsministerium“) eine Untersuchung der Einrichtungen „in der Heimat“ (continental United States (CONUS)) durchgeführt. Es kommt zum Schluß, es sind 500 (!) Mini-Reaktoren sinnvoll. Abgesehen von den Einrichtungen in abgelegenen Regionen, werden die meisten Anlagen aus den öffentlichen Netzen versorgt. Man ist aber besorgt, daß die öffentlichen Netze immer anfälliger werden (Naturkatastrophen, Wind und Sonne etc.). Versorgungssicherheit ist aber für eine moderne Armee mit Radaranlagen, Raketenabwehr und totalem Kommunikationsanspruch überlebenswichtig. Im zweiten Weltkrieg konnte man notfalls einen Flugplatz noch mit Petroleumlampen betreiben — eine Abwehr von Interkontinentalraketen ohne Strom für das Rechenzentrum und das Phasenradar ist so wertvoll wie eine Steinaxt. Insofern stellen sich hier notwendige Investitionen anders dar: Da die Versorgungssicherheit im Vordergrund steht, muß auch beim Bezug „billiger Energie“ aus dem öffentlichen Stromnetz trotzdem die volle Leistung über Dieselanlagen vorgehalten werden.

Laserwaffen etc.

Seit dem (in Deutschland verlachten) „Krieg der Sterne“ Programm von Ronald Reagen, wird die Entwicklung von Hochenergie-Lasern mit Hochruck vorangetrieben. Die Klasse unter einem kW geht bereits an die Truppe, die Klasse bis 150 kW ist in der Erprobung. Die erste Anlage zur Abwehr von Drohnen ist bereits auf einem Schiff im Golf im Einsatz. Drohnen sind sehr billig und effektiv, wie man spätestens nach dem Einsatz durch den Iran gegen Ölanlagen in Saudi Arabien feststellen mußte. Weil sie so billig sind, kann man durch einen Sättigungsangriff schnell auch modernste Luftabwehr überfordern. Als Gegenmaßnahme bleiben nur Laser zum Schutz der Anlagen im Nahbereich — ohne teuere Raketen, sondern nur mit „Energie“.

Ein weiterer Schritt sind Geschütze (rail gun), die massive Geschosse mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit über große Entfernungen sehr präzise verschießen. Die erste Installation sollte auf den Zerstörern der Zumwalt-Klasse erfolgen. Dies sind vollelektrische Schiffe, die ein Gasturbinenkraftwerk zur wahlweisen Energieversorgung besitzen. Dieses Konzept hat sich aber nicht bewehrt, da die elektrische Belastung (Trägheit des Bordnetzes durch An/Abschaltung so großer Leistungsspitzen, Wellenbildung im Bordnetz usw.) die gesamte Stromversorgung des Schiffes gefährdet. Man favorisiert z. Zt. deshalb sogar auf Schiffen separate „Mini-Reaktoren“.

Die Elektromobilität

Fahrzeuge mit Elektroantrieb besitzen zwei militärische Vorteile: Sie sind leise und haben nur sehr geringe Abwärme — sind also nur schwer zu orten. Erste Kleinlaster für den Einsatz bei Spezialeinheiten sind mit Elektroantrieb in der Erprobung. Grundsätzlich gilt auch hier, der Bedarf an elektrischer Leistung für Elektronik und (später) Bewaffnung nimmt stetig zu. Im Moment deutet sich deshalb ein Übergang zu hybriden Antriebssystemen an. Der immer größer werdende Bedarf an elektrischer Energie soll dann bei Stillstand (teilweise) aus Batterien gedeckt werden. Als Nebenprodukt ergibt sich noch der etwas geringere Spritverbrauch durch Vermeidung ungünstiger Teillast. Wenn es gelänge, hoch mobile Kleinstreaktoren in Frontnähe zur Verfügung zu haben, könnte bei einer Umstellung auf vollelektrische Fahrzeuge der erforderliche Nachschub auf ein Minimum begrenzt werden. Alle hierfür notwendigen Unterstützungseinheiten würden für den Fronteinsatz frei. Ganz besonders groß ist das Interesse bei den US-Marines: Bei einer Konfrontation mit China müßten deren Einheiten sich möglichst schnell auf unterschiedlichen kleinen Inseln bewegen, um einer Vernichtung durch Mittelstreckenraketen etc. zu entgehen. Die Logistik — tausende Meilen von der Heimat entfernt — ist dabei das zentrale Problem. Diese Problematik ergibt sich bereits bei der Abschreckung um den Frieden zu bewahren.

Die Finanzierung

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß es in den USA eine breite Unterstützung für die Kernenergie quer durch die Parteien gibt. Dies schließt sogar „Umweltschutzgruppen“ mit ein. Eine völlig andere Situation als in Merkelhausen. Widerstände kommen in den USA — wenn überhaupt — nur aus der fossilen Industrie. Selbst dort muß man noch deutlich unterscheiden: Die Kohleindustrie kämpft inzwischen selbst ums Überleben. Der „Feind“ ist nicht mehr nur die Kernenergie, sondern auch der Erdgassektor, der durch den Hype um Wind- und Sonnenenergie einen totalen Imagewandel erfahren hat. Jede neue Windmühle und jeder zusätzliche Sonnenkollektor fördert den Absatz von Erdgas (Dunkel-Flaute) bei der Stromerzeugung. Deutlich erkennt man diese Tendenz bereits in Texas: Kohlekraftwerke werden geschlossen und Gaskraftwerke neu in Betrieb genommen. Der Druck kommt über die „Alternativenergien“, für die Texas geradezu ideale Vorraussetzungen hat (dünne Besiedelung, recht stetige Winde vom Golf und jede Menge Sonnenschein). Hinzu kommen noch günstige Gaspreise (Begleitgas aus der Ölförderung) bei allerdings zunehmenden und preisstabilisierenden Exporten (nach Mexiko per Rohrleitungen und nach Übersee als verflüssigtes Erdgas).

Bisher haben die vom Kongress zugewiesenen Mittel sogar die Anforderungen der Verwaltung übertroffen. So wurden im Haushaltsjahr 2020 für das DOE’s Office of Nuclear Energy („Fachbereich Kernenergie des Energieministeriums“) nicht nur $1,49 Milliarden für die Kernenergie-Forschung bereitgestellt, sonder $230 Millionen Dollar zweckgebunden für ein „Programm zur Demonstration fortschrittlicher Reaktoren“. Im Rahmen dieses Programms wurden drei Wege für die Kooperation mit der Privatwirtschaft beschlossen: Förderung von zwei „Demonstrationsvorhaben“ innerhalb der nächsten 5-7 Jahre, Risikominimierung bei Vorhaben, die einen erwarteten Entwicklungsbedarf von 10 Jahren haben und „fortschrittliche Reaktorkonzepte“ die einen Zeithorizont von mehr als 15 Jahren besitzen.

Der Kongress (Mehrheit Demokraten) hat das DOD („Verteidigungsministerium“) bereits 2019 (also Während der Präsidentschaft von Trump) aufgefordert seine Stützpunkte durch „Minireaktoren“ unabhängiger von der öffentlichen Stromversorgung zu machen (siehe 2019 National Defense Authorization Act (NDAA) Section 327 ). Darin wird gefordert, mindestens einen Stützpunkt bis zum 31.12.2027 durch einen zugelassenen „Minireaktor“ zu versorgen. Das DOD’s Office of Acquisition and Sustainment („Beschaffungsstelle des US-Verteidigungsministeriums“) arbeitet dafür eng mit dem DOE („Energieministerium“) zusammen. Ebenfalls 2019 wurden $70 Millionen im Haushaltsjahr 2020 für ein Konstruktions- und Testprogramm für mobile Kleinstreaktoren zur Versorgung vorgeschobener Militärbasen eingestellt. Dies war der Start des „Projekt Pele“. Im März 2020 wurden knapp $40 Millionen für die Unternehmen BWXT, Westinghouse, und X-energy für einen zweijährigen Konstruktionszeitraum bewilligt. Danach soll ein Prototyp beim National Laboratory (INL) gebaut und 2024 mit einer C-17 zu einem Stützpunkt in Alaska geflogen werden, um die Mobilität und den Betrieb unter Praxisbedingungen zu demonstrieren. Damit es mit der Kerntechnik vorangehen kann, hat das DOD im Haushaltsjahr 2021 über $100 Milliarden für Forschung, Entwicklung, Tests, und Auswertung (RDTE) beantragt. Das ist der größte Betrag in der Geschichte des DOD. Allgemein wird geschätzt, daß für die Umsetzung des „Minireaktor-Programms“ insgesamt $500 Millionen benötigt werden.

Genehmigungsproblematik

Eigentlich kann das US-Militär Reaktoren bauen wie es will. Beispiel hierfür sind die zahlreichen Reaktoren für U-Boote und Flugzeugträger. Übrigens mit einer exzellenten Verfügbarkeit und Sicherheitsbilanz. Allerdings mit einem entscheidenden juristischen Unterschied: Die Schiffe sind amerikanisches Territorium. Man braucht mit ausländischen Häfen nur über eine Genehmigung zum Einlaufen bzw. den einzuhaltenden Regularien zu verhandeln. Für Stützpunkte in anderen Ländern geht das sicher nicht. Dort wird man sich den jeweiligen nationalen Genehmigungsverfahren unterwerfen müssen. Das gilt schon für den Transport mobiler Reaktoren dort hin. Insofern ist es folgerichtig, daß man von Anfang an eine Zulassung durch das NRC (Genehmigungsbehörde für kommerzielle Kernkraftwerke) anstrebt. Da immer noch die Zulassung durch das NRC als internationaler „Goldstandard“ betrachtet wird, wird dies die Genehmigung im Ausland stark vereinfachen und beschleunigen.

Ganz so einfach ist die Sache allerdings nicht. Das NRC ist bisher auf die Genehmigung von Leichtwasserreaktoren spezialisiert. Für „fortschrittliche Reaktoren“ mit anderen Kühlmitteln, Brennstoffen und Sicherheitssystemen sind noch erhebliche Vorarbeiten zu leisten, bis das Risiko qualitativ und quantitativ nachvollziehbar bemessen werden kann. Je mehr Unternehmen mit unterschiedlichen Konzepten kommen, um so mehr kommt das NRC an seine Kapazitätsgrenzen. In diesem Fiskaljahr beträgt ihr Etat rund $860 Millionen, wovon etwa $430 Millionen auf die Reaktorsicherheit entfallen.

Kommerzieller Ausblick

Das US-Militär arbeitet schon immer eng mit der Privatwirtschaft zusammen und man ging schon immer unkonventionelle Wege: In den 1950er Jahren entwickelte man die Sidewinder Flugabwehrrakete: Einmal abgeschossen, suchte sie sich selbst über ihren Infrarot-Suchkopf ihren Weg ins feindliche Ziel. Ein echter Gamechanger im Luftkampf. Die Sache hatte nur einen Haken: Man brauchte große Stückzahlen, was aber beim damaligen Stand der Halbleitertechnik schlicht zu teuer war. Man ging einen typisch kapitalistischen Weg: Um die Stückpreise zu senken, brauchte man zusätzliche Stückzahlen aus dem zivilen Sektor. Die Spielkonsole war geboren.

In Punkto „Mini-Reaktoren“ zeichnet sich der gleiche Weg ab. Man kann bereits Minengesellschaften für solche Reaktoren begeistern. Überall wo Diesel-Kraftwerke in abgelegenen Regionen im Einsatz sind, besteht wegen der hohen Stromkosten ernsthaftes Interesse. Ein weiteres Einsatzgebiet ergibt sich aus dem Hype für Elektrofahrzeuge. Will man Schwerlaster elektrifizieren, braucht man überall dort, wo man heute Tankstellen hat, Ladestationen. Diese brauchen aber enorme Leistungen, wenn man einen LKW auch in etwa 20 Minuten voll aufladen will. Hier kommen flugs Minireaktoren ins Spiel. Mit ihnen könnte man kontinuierlich Wärmespeicher beladen, die anschließend bei Bedarf große Spitzenleistungen über Dampfturbinen bereitstellen könnten. Es gibt bereits Pläne in Zusammenarbeit mit den Marketing-Genies von Tesla. Da freut sich doch das Grüne-Öko-Herz oder vielleicht doch nicht?

Dieser Beitrag wurde zuerst am 24.10.2020 veröffentlicht.