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Blackout Spanien

Inzwischen gibt es etliche Theorien warum es zu einem Stromausfall in Spanien kam – je nach Befürworter oder Kritiker von wetterabhängigen Energien. Eigentlich ist es ziemlich egal, welche Karte bei einem Kartenhaus zuerst gezogen wird. Entscheidend ist die absehbare Stabilität. Je wackeliger der Turm ist, um so wahrscheinlicher ist der Zusammenbruch.

Aus dem spanischen Stromnetz ist längst ein Kartenhaus geworden. Eine gute Abschätzung bietet das Verhältnis zwischen installierter Leistung und jährlicher Stromproduktion. Nach den Angaben des spanischen Übertragungsnetzbetreibers Red Eléctrica machten die „erneuerbaren“ Energien 66% der installierten Leistung (gesamtes Netz in Spanien 128.987 MWel Netto in 2024) aus, aber nur 42% der Produktion (Spanien gesamt 262.246 GWh in 2024). Es lohnt sich, die folgende Tabelle etwas näher zu betrachten:

LeistungEnergieAusnutzungAnteil LeistungAnteil Energie
Wasserkraft17.097 MW34.911 GWh23%13,25%13,31%
Wind32.115 MW60.943 GWh22%24,90%23,24%
Solar34.652 MW48.647 GWh16%26,86%18,55%
Bio, Geo etc.1.109 MW3.690 GWh38%0,86%1,41%
Müll170 MW805 GWh54%0,13%0,31%
KWK6.007 MW17.706 GWh34%4,66%7,65%
Kohle, Gas etc.30.720 MW43.150 GWh16%23,82%16,45%
Kernenergie7.117 MW52.390 GWh84%5,52%19,98%
Das spanische Netz im Jahr 2024

Inzwischen sind mehr als die Hälfte der installierten Leistung im spanischen Netz wetterabhängig (Wind und Sonne). Hinzu kommt noch die jahreszeitlich schwankende Wasserkraft. Damit ergibt sich ein neues Phänomen, die sogenannte „Hellbriese“. Hat es sich inzwischen rumgesprochen, daß es nachts dunkel ist und damit die Solarenergie stets Null ist, dringt nur langsam der Zusammenhang zwischen Ausbau der Photovoltaik und Störung der Netze ins Bewusstsein. Es kommt auf die insgesamt installierte Leistung (Windmühlen und Sonnenkollektor) an. Der Natur ist das schlichtweg egal. Wenn der Wind weht, dreht er alle Windmühlen, wenn die Sonne scheint, produzieren alle Sonnenkollektoren entsprechend Strom. Das Problem hierbei sind die Verbraucher. Das Netz kann nur exakt so viel elektrische Leistung vertragen, wie gerade verbraucht wird. Der Netzbetreiber kann nur eingeschränkt reagieren.

In der guten alten Zeit war die Sache relativ einfach. Aus Erfahrung kannte man die benötigten Leistungen ziemlich genau (Tages-, Jahreszeit, Sportereignisse usw.). Man konnte sich für jeden Moment aus dem vorhandenen Kraftwerkspool den kostengünstigsten Mix zusammenstellen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die einseitige Richtung: „Störgröße“ waren faktisch nur die Verbraucher. Da alle Kraftwerke regelbar waren, war es relativ einfach durch Einsatzplanung und Steuerungstechnik das Netz stets stabil zu halten.

Wie anders die Situation heute ist, hat der Blackout in Spanien gezeigt. Heute sind nicht mehr die recht gut vorhersagbaren Verbraucher die bestimmende Störgröße, sondern das höchst wankelmütige Wetter. Wind und Sonne sind nicht regelbar! Das wußten schon unsere Vorfahren seit tausenden von Jahren. Die einzige Möglichkeit wäre bei Überproduktion Anlagen abzuschalten. Das wiederum ist technisch schwierig (Extremfall: Die unzähligen Balkonkraftwerke) und ideologisch nicht gewünscht. Würde man sich nur auf das schmale Fenster zwischen kein Strom (Flaute, Dunkelheit) und noch weniger, als im Netz gerade nachgefragt wird beschränken, wären wetterabhängige Energien noch unwirtschaftlicher. Elektrische Energie ist nun mal keine Kohle, Öl oder Uran. Sie läßt sich großtechnisch nicht speichern. Auch das sozialistische Geschwafel von der neuen Gesellschaft mit „dargebotener Energie“ ist nicht gewollt. Wer will schon zurück ins vorindustrielle Zeitalter? Die Probleme fangen aber schon heute an. Die folgende Tabelle zeigt die Situation der spanischen Kernkraftwerke unmittelbar vor dem Blackout:

LeistungBaujahrBlackout
Almaraz I1011 MW1983Runtergefahren wegen Sonne
Almaraz II1005 MW1984in Betrieb
Asco I996 MW1984in Betrieb
Asco II992 MW1986in Betrieb
Cofrentes1064 MW1985Runtergefahren wegen Sonne
Trillo1003 MW1988Revision
Vandelios II1045 MW1988in Betrieb
Situation der Kernkraftwerke am 28. April 2025

Von den sieben spanischen Kernkraftwerken waren nur noch vier am Netz. Kernkraftwerke sind zwar die am schnellsten regelbaren Kraftwerke überhaupt, wenn man sie aber geplant vom Netz nimmt, spielt man ganz offensichtlich mit einem Stromausfall. Wenn dann plötzlich etwas passiert – man spricht von etwa zwei Gigawatt, die im Netz wegbrachen – kann man nur noch mit Abwurf bis zum kompletten Netzzusammenbruch reagieren.

Hinzu kommt noch eine ideologische und eine technische Besonderheit. Die Ideologie will um jeden Preis CO2 einsparen. In Folge fährt man besonders Kohlekraftwerke runter. Müllverbrennung geht nicht, weil deren Aufgabe die Müllverbrennung (chemisch anspruchsvoll und träge) ist – der gewonnene Dampf ist eigentlich Kühlmittel für den Verbrennungsofen. Kraft-Wärme-Kopplung ist (zumindest bei industrieller Anwendung) ebenfalls nur stark eingeschränkt regelbar. Im Vergleich sind Gaskraftwerke weit weniger stabilisierend für das Netz als Kernkraftwerke. Der Frequenzgradient hängt wesentlich vom Bruch des Leistungssprunges ∆ P (z. B. plötzliche Störung) zu der Netzanlaufzeitkonstante TAN des Netzes ab. Der zulässige Frequenzgradient bestimmt die erforderliche Momentanreserve im Netz bzw. Teilnetz.

T~AN
Kernkraftwerk14 s
Braun- und Steinkohle10 s
Gas- und Dampfkraftwerk (GuD)11 s
Gaskraftwerk (nur Gasturbine)3 s
Laufwasser- und Pumpspeicherkraftwerk6,8 s
Anlaufzeitkonstanten TAN verschiedener Kraftwerkstypen

Die sog. Momentanreserve ist beim konventionellen Stromnetz systeminhärent. Wenn der Energieverbrauch plötzlich zu- oder abnimmt, kommt es zu Frequenzschwankungen. Entsprechend werden durch ihre Trägheit alle Generatoren konventioneller Kraftwerke abgebremst oder beschleunigt. Was sie dabei an Bewegungsenergie verlieren bzw. aufnehmen, wird zu fast 100 % in das elektrische Stromnetz abgegeben bzw. ihm entzogen. So werden kürzere Frequenzschwankungen von wenigen Sekunden durch die Trägheit dieser rotierenden Generatoren instantan (sich sofort auswirkend) systeminhärent (dem System Stromnetz innewohnend) gedämpft. Sobald die Frequenzabweichung einen Wert von ± 0,02 Hz überschreitet, wird die Primärregelung aktiviert (kurzfristige Leistungserhöhungen oder -senkung von Kraftwerken). Bei einer andauernden Abweichung von mehr als 30 Sekunden kommt es zur Aktivierung der Sekundärregelung. Das Frequenzband von 50 Hz darf in Kontinentaleuropa kurzzeitig nur um ± 0,8 Hz bzw. ± 0,2 Hz stationär über- bzw. unterschritten werden. Die Abweichungen von der Sollfrequenz lösen strukturierte Sicherheitsabschaltungen aus. Diese sollen als letztmögliche Maßnahme das Gleichgewicht aus Erzeugung und Verbrauch wiederherstellen. Gelingt dies nicht, kann es zu unstrukturierten Notabschaltungen und im schlimmsten Fall zu einem Blackout kommen. Bei einer Netzfrequenz unter 47,5 Hz können bei Synchrongeneratoren Resonanzschwingungen auftreten, die zur mechanischen Zerstörung des Generators führen können. Deshalb müssen solch starke Frequenzabweichungen unbedingt vermieden werden – Zwangsabschaltung des Kraftwerks wird notwendig. Bisher wurde von einer erforderlichen Momentanreserve im europäischen Verbundnetz von 3000 MW ausgegangen, damit Last- bzw. Erzeugungssprünge aufgefangen werden können.

Wegen diesem Zusammenhang ergeben sich aus der aktuellen Last die gerade im Netz anliegt (Wochentag, Feiertag, Tageszeit) und der dafür erforderlichen Momentanreserve die „negativen Strompreise“. Der Bedarf kann nicht ausschließlich durch die wetterabhängigen Energien gedeckt werden, sondern es müssen für die erforderliche Momentanreserve immer die entsprechenden konventionellen Kraftwerke „unter Dampf“ mitlaufen – der vermeintliche Überschuss muß entsorgt werden. Kann man seinen Überschuss nicht beim Nachbarn Frankreich mit seinen Kernkraftwerken entsorgen und dadurch Momentanreserve borgen, kommt es unweigerlich und unabhängig vom eigentlichen Auslöser zu Zwangsabschaltungen (Brownout). Geht das nicht schnell genug, ist ein Blackout des gesamten Netzes (Spanien und Portugal) nicht mehr zu vermeiden. Dies ist das eigentliche Menetekel für Deutschland. In jeder Stunde mit negativen Preisen bestand die akute Gefahr von Zwangsabschaltungen. Irgendwann ist unseren Nachbarn die Entsorgungsgebühr (negativer Strompreis) nicht mehr hoch genug für das übernommene Risiko.

Die Zeit für Diskussionen geht langsam zu Ende. Je mehr (wilder) Zubau von Wind und Sonne, bei gleichzeitiger Abschaltung konventioneller Kraftwerke, rückt die Stunde der Wahrheit näher.

  • Sofortige Abschaffung des Privilegs der bevorzugten Einspeisung.
  • Vorschrift von möglichen Abschaltvorrichtungen bei den Erzeugern. Nur die Netzzentrale kann entscheiden, wer gerade, wieviel elektrische Leistung einspeisen darf. Dies gilt auch für vermeintlich kleine Anlagen (Balkonkraftwerke), da sie durch ihre Stückzahl Netzabschnitte überlasten können.
  • Negative Strompreise – mit anderen Worten: Es wird mehr elektrische Energie eingespeist als nachgefragt wird – sind ausschließlich auf die Betreiber von Windmühlen und Photovoltaik umzulegen. Es gilt auch hier das Verursacherprinzip: Wer etwas produziert, das gar nicht nachgefragt wird, kann dafür auch keine Vergütung beanspruchen. Zurück zur Marktwirtschaft.
  • Die Zeit der Abschaltung konventioneller Kraftwerke aus ideologischen Gründen ist vorbei. Ebenso das Schmarotzen von Momentanreserve durch Wind- und Sonnenanlagen. Zumindest größere Anlagen müssen durch – sehr teure – Kompensationsanlagen nachgerüstet werden.
  • Die Verschleierung der tatsächlich verursachten Kosten wetterabhängiger Energien durch „Netzentgelte“ muß eingestellt werden. Nur bei Kostentransparenz lassen sich sinnvoll Entscheidungen für Investitionen treffen. Warum eigentlich, muß ein Verbraucher Anschlussgebühren und Leistungspreise zahlen, der Windmüller oder Sonnenbaron aber, wälzt die Kosten die er verursacht auf die Allgemeinheit ab? Hier findet eine gigantische Umverteilung von unten nach oben statt.
  • Warum müssen z. B. Kernkraftwerke zwangsweise gegen Schäden, die sie verursachen, versichert sein? Windmüller oder Sonnenbarone aber nicht? Die Kosten des spanischen Blackout werden auf mehrere Milliarden geschätzt. Jeder kleine Autofahrer muß im Gegensatz eine (risikoabhängige) Haftpflicht haben.