Könnte Deutschland die große Schweiz werden?
Die Bürger der Schweiz haben sich gegen eine vorzeitige Abschaltung ihrer Kernkraftwerke entschieden. Ein Anlass, einmal über die Verhältnisse in Deutschland (neu) nachzudenken.
Der Istzustand
Vielen Menschen in Deutschland ist gar nicht bewußt, daß immer noch acht Blöcke am Netz sind (Isar 2, Brokdorf, Philippsburg 2, Grohnde, Emsland, Neckarwestheim 2, Gundremmingen B und C) und in aller Stille reichlich zur Energieversorgung in Deutschland beitragen. Sie haben immerhin zusammen die stolze Leistung von 10.799 MWel und produzieren damit durchschnittlich 86.595.052.800 kWh elektrische Energie jährlich. Wohl gemerkt, jedes Jahr, unabhängig davon, wie stark der Wind bläst oder die Sonne scheint. Halt Energie nach den Bedürfnissen der Menschen und nicht „auf Bezugsschein“ irgendwelcher Schlangenölverkäufer mit (meist) öko-sozialistischer Gesinnung. Ganz neben bei, tragen sie durch ihre gewaltigen Generatoren auch noch zur Netzstabilität bei. Wie wichtig und kostenträchtig allein dieser Aspekt ist, werden unsere Laiendarsteller erst merken, wenn diese Kraftwerke endgültig abgeschaltet sind.
Wieviel Volksvermögen vernichtet werden soll
Fangen wir mal mit dem letzten Aspekt an: Die Standorte zukünftiger Windparks und Photovoltaikanlagen können — wegen der geringen Energiedichte von Wind und Sonne — gar nicht den Kernkraftwerken entsprechen. Das vorhandene Stromnetz muß daher komplett umgebaut bzw. erweitert werden. In der Öffentlichkeit wird wohlweislich nur von den neuen „Stromautobahnen“ gesprochen, die den „Windstrom“ von Norddeutschland nach Süddeutschland transportieren sollen. Freilich sind bereits dafür Milliarden erforderlich. Kaum ein Wort über die Frequenzregelung und die Niedervolt Netze zum Einsammeln des flächigen Angebots (z. B. Sonnenkollektoren auf den Dächern).
Wir reden hier nicht von irgendwelchen „Schrottreaktoren„, sondern ausnahmslos von Kernkraftwerken, die erst zwischen 1984 und 1989 ans Netz gegangen sind. Für solche Kraftwerke geht man heute international von einer Betriebszeit von 60 bis 80 Jahren aus. Sie hätten also eine „Restlaufzeit“ bis in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts vor sich — wenn sie nicht in Deutschland, sondern bei unseren Nachbarn stehen würden! Warum nur, fällt mir an dieser Stelle, der alte Witz-über-die-Geisterfahrer ein?
Um es klar und deutlich zu sagen, sie verfügen über Sicherheitseinrichtungen, die heute noch international Spitze sind. Teilweise werden japanische und osteuropäische Kernkraftwerke gerade erst auf dieses Niveau nachgerüstet. Selbst noch im Bau befindliche Reaktoren in China und den Emiraten, sind keinesfalls sicherer. Das alles, obwohl es in Deutschland weder schwere Erdbeben noch Tsunamis gibt.
Wenn man als Wiederbeschaffungswert die Baukosten der koreanischen Reaktoren in den Vereinigten Emiraten ansetzt (4 x 1400 MWel für 20 Milliarden US-Dollar), werden hier mal eben rund 35 Milliarden Euro verbrannt. Zugegeben eine grobe Abschätzung, aber wie war das noch mal mit dem Rentenniveau für die kommende Generation? Es ist ja offensichtlich nicht so, als wäre in diesem Land überhaupt kein Kapital mehr vorhanden oder anders: Der Kleinrentner soll auch noch durch überteuerten „Ökostrom“ zusätzlich bluten.
Der energetische Ersatz
Ein beliebter Vergleich der Schlangenölverkäufer ist immer die produzierte Energie. Lassen wir die Zahlen für sich sprechen: Im Jahr 2015 wurden insgesamt 86 TWh Windenergie erzeugt. Dazu waren 27.147 Windmühlen mit einer Gesamtleistung von 44,95 GW notwendig gewesen. Wollte man die acht verbliebenen Kernkraftwerke durch Windmühlen ersetzen, müßte man also noch einmal die gleiche Anzahl zusätzlich bauen. Besser kann man den Irrsinn nicht verdeutlichen. Schon allein unsere Vogelwelt könnte 20.000 zusätzliche Schredderanlagen nicht verkraften. Welche Wälder sollen noch gerodet werden?
Wollte man die gleiche Energie mit Photovoltaik erzeugen, müßte man über 82 GW zusätzlich installieren. Trotzdem wäre es weiterhin des Nachts dunkel.
Die Speicherfrage erübrigt sich, denn allen ökologischen Sturmgeschützen zum Trotz: Es gibt sie wirklich, die Dunkel-Flaute. Jawohl, besonders bei Hochdruck-Wetterlage im Winter weht tagelang kein Wind — auch großflächig nicht.
Andererseits wird es den berühmten Muttertag (8.5.2016) auch immer wieder geben: Sonnenschein mit Starkwind an einem verbrauchsarmen Sonntag, der die Entsorgungskosten an der Strombörse auf -130 EUR/MWh hochgetrieben hat. Wie hoch dürfte die Entsorgungsgebühr wohl sein, wenn der Ausbau noch einmal verdoppelt wird? Sind dann unsere Nachbarn überhaupt noch bereit, unseren „Strommüll“ für uns zu entsorgen? Ich glaube nicht. Zwangsweise Abschaltungen wären die Folge: Die Abwärtsspirale immer schlechter werdender Auslastung für die „Erneuerbaren“ wird immer steiler werden. Das Rennen nach der Fabel von Hase und Igel hat ja bereits längst begonnen. Dies sei allen Traumtänzern gesagt, die von einer Vollversorgung durch Wind und Sonne schwadronieren.
Der notwendige Ersatz
Wie gesagt, es gibt sie wirklich, die Dunkel-Flaute. Speicher in der erforderlichen Größe sind nicht vorhanden. Das seit Jahren erklingende Geraune von der „Wunderwaffe-der-Großspeicher“ wabert konsequenzlos durch die deutschen „Qualitätsmedien“. Physik läßt sich halt nicht durch den richtigen Klassenstandpunkt ersetzen. Es müssen deshalb neue Grundlastkraftwerke gebaut werden. Kurzfristig kann man elektrische Energie aus dem Ausland hinzukaufen — „Atomstrom“ und „Dreckstrom“ aus den östlichen Nachbarländern — bzw. vorhandene Mittellastkraftwerke im Dauerbetrieb verschleißen.
Will man 11 GWel durch Kombikraftwerke mit Erdgas als Brennstoff ersetzen, sind dafür etwa 20 Blöcke notwendig. Würde man sie an den vorhandenen Standorten der Kernkraftwerke bauen, könnte man zwar die elektrischen Anlagen weiter nutzen, müßte aber neue Erdgaspipelines bauen. Die Mengen können sich sehen lassen: Für 86 TWh braucht man immerhin etwa 15 Milliarden Kubikmeter Erdgas jedes Jahr. Wo die wohl herkommen? Wieviel das Erdgas für die Heizung wohl teurer wird, wenn die Nachfrage derart angekurbelt wird?
Wahrscheinlicher ist der Ersatz durch Steinkohlekraftwerke. Um die 8 noch laufenden Kernkraftwerke zu ersetzen, wären etwa 14 Blöcke vom Typ Hamburg-Moorburg nötig. Die würden etwa 28 Millionen to Steinkohle pro Jahr fressen. Die müssen nicht nur im Ausland gekauft, sondern auch bis zu den Kraftwerken transportiert werden.
Will man wenigstens die Versorgungssicherheit erhalten, bleibt nur die eigene Braunkohle. Man müßte nur etwa 10 neue Braunkohleblöcke vom Typ BoA-Neurath bauen. Die würden allerdings über 84 Millionen to Braunkohle pro Jahr verbrauchen. Unsere Grünen würde das sicherlich freuen, man müßte die Braunkohleförderung nicht einmal um die Hälfte erhöhen. Wieviele schöne „Demos“ gegen neue Tagebaue könnte man veranstalten!
Politik
Das Wahljahr 2017 (Landtagswahl in NRW und Bundestagswahl) kommt immer näher. Zwischen März und Juli soll der geplante Wahnsinn mit der Abschaltung von Gundremmingen beginnen. Da in Deutschland das Regulativ einer Volksabstimmung (über lebenswichtige Fragen) fehlt, bleibt nur die Auseinandersetzung in einer Parteien-Demokratie. Parteitage und Walkämpfe bieten die Möglichkeit Parteien zu zwingen „Farbe zu bekennen„. Dies gelingt aber nur, wenn die Bürger auch (öffentlich und nachdrücklich) Fragen stellen. Gerade in Deutschland neigt man eher zu „Man-hat-doch-nichts-davon-gewußt“ oder „innerlich-war-man-auch-dagegen“. Zumindest der ersten Lebenslüge, soll dieser Artikel entgegenwirken.
Die Forderung an alle Parteien kann nur lauten: Schluß mit der Kapitalvernichtung durch Abschaltung moderner Kernkraftwerke. Bis 2022 ist es weder möglich geeignete Groß-Speicher zu erfinden, das Stromnetz völlig umzukrempeln, noch fossile Kraftwerke in der benötigten Stückzahl als Ersatz zu bauen. Nicht einmal die Verdoppelung der Windenergie in nur vier Jahren ist möglich — jedenfalls nicht ohne bürgerkriegsähnliche Zustände heraufzubeschwören. Parteien, die dies nicht einsehen wollen, sind schlicht nicht wählbar. In einer indirekten Demokratie, in der dem Bürger das Recht auf Entscheidungen — in überlebenswichtigen Fragen — abgesprochen wird, kann sich der Bürger nur an der Wahlurne wehren. Nichts tut den etablierten Parteien mehr weh, als der Mandatsverlust. Dies ist halt die Kehrseite der Allmachtsphantasien der „indirekten Demokraten“.
Dieser Beitrag wurde zuerst am 28.11.2016 veröffentlicht.