Das „Inflationsreduzierungsgesetz“ der USA scheint in seiner Tragweite bisher von Politik und Medien noch gar nicht erfasst worden zu sein. Vielleicht liegt es an dem sperrigen Titel, der es zu einem trojanischen Pferd der Energietechnik macht. Einzig unser Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz schwankt noch zwischen „Klimaschutz“ und befürchtetem Protektionismus. Ist die Sache wirklich so harmlos, wie sie in Deutschland dargestellt wird oder ist es vielmehr eine weitere „Zeitenwende“ für das neo-sozialistische Europa?
Industriepolitik so oder anders
Es ist grundsätzlich fragwürdig, ob der Staat sich überhaupt in die industrielle Entwicklung einschalten sollte. Sozialdemokraten werden eine Einmischung immer befürworten, da sie ja vom „Marktversagen“ ausgehen. Trotzdem gibt es auch dort eine Bandbreite zwischen (mehr) Marktwirtschaft und stringenter Planwirtschaft. Dies zeigt sich deutlich in der Herangehensweise von Biden und Scholz. Unser marxistisch geschulter Bundeskanzler Gerhard Schröder (heute als Gasverkäufer für Putin tätig) und sein damaliger Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Jürgen Trittin, erschufen im Jahre 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Ein Monster, das seit dem beständig verschlimmbessert werden mußte und nun den Nachfolgern Scholz und Habeck langsam aber sicher, auf die Füße fällt – Geschichte kann auch gerecht sein. Aus der Trittinschen „Eiskugel“ ist längst ein Mühlstein geworden, der die deutsche Wirtschaft in den Abgrund zieht: Deindustrialisierung mit Arbeitsplatzverlusten und Verarmung weiter Bevölkerungsgruppen durch „unbezahlbare“ Strom- und Gasrechnungen. Alles im Dienste der „Große Transformation“.
Der grundsätzliche Fehler des EEG
Politiker wollten Wind- und Sonnenenergie fördern. Jedem denkenden Menschen war von Anfang an klar, daß eine Industriegesellschaft sich nicht durch „Regenerative Energien“ allein versorgen läßt. Aber halt, vielleicht war das immer schon das wirkliche Ziel der „Großen Transformation“, die Zerstörung dieser Gesellschaft – so gesehen war der Plan diabolisch gut. Wie kann man aber Investoren dazu bringen, ihr Kapital in unverkäuflichen Dunkel-Flauten-Strom zu versenken? Man muß sie einfach mit Subventionen zuschütten. Ab einer gewissen Größenordnung wird jeder angestellte Kombinatsleiter schwach. Nur wollen (deutsche) Politiker auf keinen Cent verzichten. Sie haben ja noch unzählige weitere Vorstellungen zur Volksbeglückung. Deshalb durfte das EEG nicht aus dem Haushalt finanziert werden, sondern es mußten weitere Zwangsabgaben her. Jeder möge nur mal auf seine Stromrechnung schauen…
„Klimaschutz“ a la Biden
So etwas läßt sich in den USA nicht durchsetzen. Man glaubt dort halt unerschütterlich an die Kraft des Kapitalismus. Subventionen ja, aber bitte aus dem Staatssäckel und nicht über zusätzliche Zwangsabgaben. Aber auch dort kämpfen Politiker um ihren Anteil aus dem Haushalt. Ein probates Mittel in den USA sind deshalb Steuergutschriften. Steuerausfälle in der Zukunft müssen nicht in den aktuellen Haushalt eingestellt werden. Man kann solche Subventionen von seiner Steuerschuld abziehen. Das erfordert aber auch, daß man Gewinne macht und nicht dauerhaft am Tropf des Staates hängt. Schon diese Tatsache hält den Irrsinn in Grenzen. Nun kommt aber die revolutionäre Tat des Präsidenten Biden: Man fördert nur den „Klimaschutz“. Es gibt ein einfaches aber durchschlagendes Förderkriterium: Die Anlage darf kein CO2 ausstoßen. Absolute Technologiefreiheit. Ein Albtraum für jeden besserwissenden Öko-Sozialisten. Man beobachte nur das aktuelle draufschlagen von Talkmaster*Innen des Staatsfernsehens und eingeladenen „Experten“ – die garantiert nicht einmal wissen, wie ein Verbrenner funktioniert – auf Kritiker von e-Autos.
Der IRA arbeitet mit Anreizen (Steuervergünstigung) während man in Europa auf Strafen (CO2 Abgabe) setzt. Strafen erzeugen aber grundsätzlich eher Ablehnung (Produktionsverlagerung, Import). Man hat auch in Deutschland Erfahrungen mit den Sonderabschreibungen für Gebäude und Wohnungen nach der Wiedervereinigung gesammelt. Es wurden gewaltige Summen privaten Kapitals mobilisiert. Ein Bauboom wurde ausgelöst, der die gesamte Wirtschaft ankurbelte und als Nebeneffekt zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen hat. Dagegen greift man heute eher in die sozialistische Mottenkiste mit Enteignung, absurden Bauauflagen usw. und wundert sich anschließend, warum die schönen „Jahrespläne“ nicht umgesetzt werden.
Inflationsanpassung
Will man die Teuerung messen, ist eine Definition des Warenkorbs nötig: Energie, Nahrungsmittel oder gar die gesamte Volkswirtschaft. Das Konsumverhalten ändert sich kontinuierlich oder auch in Sprüngen. Daher müssen die Warenkörbe von Zeit zu Zeit verändert werden. Damit sind Teuerungsraten über längere Zeiträume nicht mehr unmittelbar vergleichbar. Hier wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Bezugsgröße verwendet. Das BIP (oder GDP) gibt den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen an, die während eines Jahres innerhalb der USA hergestellt wurden, vermindert um alle Vorleistungen. Dieser Wert wird vom Handelsministerium jeweils zum 15. März eines Kalenderjahres ermittelt. Aus dieser Zeitreihe kann man einen Inflationsanpassungsfaktor als Bruch mit dem Zähler des betrachteten Jahres und dem Nenner des Bezugsjahres bilden. Bei diesem Gesetz wurde das Basisjahr 1992 gewählt. Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Im Gesetz steht eine Steuergutschrift von 15 USD/MWh. Der „Implicit Price Deflator“ für das Jahr 2022 lautet 129,381, der für 1992 ist 67,889, was gemäß Definition einen Faktor von 1,906 ergibt. Die Steuergutschrift würde also bereits 28,60 USD/MWh für das Jahr 2022 betragen.
Der (fast) einzige Gewinner durch Inflation ist der Verursacher – der Staat selbst: Er erzielt mit jeder Preiserhöhung und Lohnsteigerung höhere Steuereinnahmen und kann seine Schulden mit „schlechtem Geld“ zurückzahlen. Für langfristige Investitionen – z. B. ein Kernkraftwerk – ist Inflation reines Gift. Mit der Inflation steigen die Zinsen und treiben die Baukosten gnadenlos und überproportional in die Höhe. Insofern ist es richtig, wenn der Staat teilweise auf seine aufgeblasenen Steuereinnahmen verzichtet. Er – und wir alle – profitieren dann sogar noch durch reales Wirtschaftswachstum.
Anwendung auf KKW
Für neu zu bauende Kernkraftwerke gelten die Mechanismen der Abschnitte 45Y und 48E des Steuergutschriften-Programms in vollem Umfang:
- Inflation bereinigt mit einem Basisjahr von 1992 (nur 45Y’s PTC. 48E sind 30% der Projektkosten. Der Wert wird der Kosteninflation folgen)
- Die Gutschriften sind übertragbar. Dies ist besonders wichtig für alle „neuen“ Hersteller, die naturbedingt noch gar keine Gewinne haben können.
- Anspruch auf Direktzahlung. Gilt nur für Institutionen die „gemeinnützig“ sind und damit von Steuern ohnehin befreit werden.
- Verfügbar für alle qualifizierten Einrichtungen ohne Einschränkungen der Programmsummen. Das ist neu, da bisher solche Programme immer gedeckelt waren.
- Bezahlt für die ersten 10 Jahre nach Betriebsbeginn der Anlage (nur 45Y PTC).
- Dies ist ein Steuergesetz und kein Ausgabenprogramm, welches jährliche Mittel und ständig wiederkehrende Haushaltsberatungen erfordert.
- Diese neuen Gutschriften der IRA treten für Kraftwerke in Kraft, die nach dem 31.12.2024 in Betrieb gehen. Das bedeutet effektiv, daß alle neuen Kernkraftwerke, die sich noch nicht im Bau befinden, für die Gutschriften in Frage kommen. Sofern der IRA nicht aufgehoben oder geändert wird, haben Einrichtungen, die vor Ende 2032 ihren Betrieb aufnehmen, Anspruch auf Gutschriften nach Abschnitt 45Y und 48E. Das Gesetz enthält auch eine automatische Verlängerung – wenn die Treibhausgasemissionen aus der US-Stromproduktion größer oder gleich 25% der Treibhausgasemissionen dieses Sektors im Jahr 2022 sind – bleiben die Steuervergünstigungen voll in Kraft.
Nachwort
Gegenüber dem deutschen Ansatz des EEG ist dies wahrlich eine Wende. Es werden nicht mehr hoheitlich erwählte Technologien (Wind, Sonne) gefördert und hoheitlich geächtete Technologien („Atomenergie“) verboten, sondern einzig die „CO2 Freiheit“ als Kriterium auserwählt (mag man dies für sinnvoll oder nicht halten, wie gesagt, Industriepolitik). Da dieses Gesetz weit über die Kernenergie hinaus geht, wird in einem folgenden Artikel auf weitere Aspekte eingegangen werden.